• 19 • Altker - Zmajevo - Oker - Pasicevo
- 19.1 Heimatbuch Altker
- 19.2 Bildband Altker
- 19.3 20 Jahre danach ...... 1965 - Besuch in Altker
Altker, heute Zmajevo in der Batschka
Altker war eine Übersiedlungsgemeinde und Nachbargemeinde von Kischker.
Zwischen 1827 und 1927 siedelten sich hier 451 deutsche Familien aus der Batschka an:
146 aus Kleinker (Kischker),
51 aus Torschau,
48 aus Tscherwenka,
44 aus Werbaß,
40 aus Bulkes,
22 aus Schowe
und weitere aus verschiedenen anderen Ortschaften. Bis 1944 machten die Deutschen ca. 60 Prozent der Bevölkerung aus, nach Oktober 1944 wurden sie vertrieben.
Mit der Nachbargemeinde Kischker, heute Bačko Dobro Polje, gab es viele familiäre, wie auch wirtschaftliche Verbindungen. Deshalb stelle ich diese zwei großartige Bücher "Altker" ersch. 1988, und den "Bildband Altker" ersch. 1990, von Herr
Dr. Peter Stegh in Zusammenarbeit mit Frau Edda Reichert-Stegh, als PDF-Dateien zum kostenlosen Download hier bereit.
Dies erfolgt mit Erlaubnis der Rechteinhaber! Dafür meinen herzlichen Dank. Werner Neumann
19.1 Heimatbuch Altker - pdf Datei - zum Herunterladen
ZUM GELEIT
Altker war, soweit man seine Geschichte überblicken kann, nie ein national einheitliches Gemeinwesen, sondern meist von Angehörigen mehrerer Völker bewohnt.
Dieses Buch ist in erster Linie der deutschen Besiedlung Altkers, der Aufbauarbeit und dem Opfergang seiner deutschen Bewohner zugedacht. Es soll aber auch von ihren Mitbürgern anderer Nationalität berichtet werden, soweit die Quellen verfügbar waren.
Altker steht, wie jedes Gemeinwesen, nicht allein für sich im abgeschlossenen Raum, sondern im großen Rahmen mit Beziehungen zu seiner Umwelt, die sich im Wechselspiel von Wirkung und Gegenwirkung einander beeinflussen. Deshalb kann über die Geschichte Altkers nicht ausschließlich auf diese selbst bezogen berichtet werden, es muß vielmehr die geschichtliche, kulturelle und wirtschaftliche Entwicklung des Raumes und der verschiedenen Staaten berücksichtigt werden, denen das Dorf von frühester Zeit bis zur Gegenwart angehörte.
Mit dem Buch sollen Fragen beantwortet werden, die in zunehmenden Maße von unserer jungen Generation gestellt werden, den Nachkommen der Altkerer, die Altker nur vom Hörensagen oder bestenfalls als Touristen kennengelernt haben.
Das Buch soll den noch lebenden, ehemaligen deutschen Bewohnern Altkers von ihrem unvergessenen Dorf berichten, den Nachkommen der Altkerer, allen Freunden Altkers und der interessierten Öffentlichkeit zur Unterrichtung dienen.
Zum kostenlosen Download. Bei Fragen, bitte mit mir Kontakt aufnehmen! 02w-neumann(at)web.de
19.2 Bildband Altker - pdf Datei -
War Altker wirklich so schön . . .
. . . daß man dem unscheinbaren Dorf in der Panonischen Tiefebene einen Bildband dieses Ausmaßes widmet? War es wirklich so schön und liebenswert, daß man es zum Gegenstand so umfassender Bewunderung macht?
Weingarten/ Baden, im April 1990 Dr. Peter Stegh
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19.3 20 Jahre danach ...... 1965 - Besuch in Altker
Zwanzig Jahre danach …….
Eindrücke und Gedanken von einem Besuch in Altker im Sommer 1965
von Dr. Peter Stegh, Tierarzt.
Mit meinem Heimatdorf Altker ging es mir wie mit vielem im Leben: erstmals es verloren war, wurde mir bewußt, was es mir bedeutet hatte. In Erinnerung rückblickend, wird dieses Bild - wohl durch die Länge der Zeit schon etwas verklärt - immer klarer folgendes:
Je näher wir dem Heimatdorf kamen, um so größer wurde unser Sehnen, unsere Ungeduld. Als wir uns nun endlich am Wiedersehenstag, von Neusatz kommend, über Sirig Altker näherten, regte sich bei uns tatsächlich ein freudiges Wiedersehensgefühl. Die äußeren Umstände waren auch ganz dazu angetan. Ein schöner Augustmorgen, die weiten, unendlichen, recht gut stehenden, hauptsächlich mit Mais und Zuckerrüben bepflanzten Felder und vor allem die unwahrscheinliche Ruhe überall, die kaum durch ein Geräusch oder einen Vogellaut gestört wurde. Es wollte uns tatsächlich heimatlich ums Herz werden, obzwar uns die ehemals bekannten und jetzt fehlenden oder nur noch in Ruinen stehenden Sallasch-Häuser eine erste Mahnung zuzurufen schienen. Als dann kurz danach die vertraute Hauptstraße vor uns lag, mußten wir verhalten - es schien wie einst zu sein - zumal wir auch sogleich von einem Bekannten erkannt und begrüßt wurden.
Was wir aber dann etwas später und in den nächsten beiden Tagen zu sehen bekamen, war zu allem anderen eher angetan als zur Stärkung des Gefühls, zu Hause zu sein bzw. jemals hier daheim gewesen zu sein. Was wir an beiden Tagen unseres Besuches in Altker in unseren ehemaligen Häusern und in denen von Verwandten und Bekannten zu sehen bekamen, war mehr oder weniger überall dasselbe und ist schnell geschildert: Verfall. Abbröckelnder und zum Teil vollständig abgefallener Außenputz, verwitterte und herabfallende Dachabdeckungen, verrottete, schief hängende Tore, Türen und Fenster., ohne Anstrich, oftmals ohne Glas. Unwahrscheinlich vernachlässigte und unordentliche Innenhöfe. Es war oftmals schwer oder ganz unmöglich, sich vorzustellen, wie schön gepflegt und sauber die Häuser, wie aufgeräumt die Hofstellen einstmals waren. Keine Beschreibung kann die Wirklichkeit wiedergeben, kein Bild spiegelt die Trostlosigkeit. Um so überraschender war es, daß die Wohnungen dieser schon so weit verfallenen Häuser meist ordentlich und sauber waren. Dieses trostlose Bild beschränkt sich nicht nur auf die ehemals deutschen Häuser. Auch viele der einst ansehnliche serbische Häuser, die noch von ihren Besitzern bewohnt sind, sehen nicht besser aus.
Der Dorfmittelpunkt macht keine Ausnahme. Das Schwimmbad besteht nicht mehr. Es mußte der Jegricka-Bara-Verbreiterung weichen. Das Wannenbad geht, seinem derzeitigen Zustand nach zu urteilen, dem Verfall entgegen. Unsere einst schöne evangelische Kirche wurde abgerissen. Ein unscheinbarer Bau, in dem sich die Apotheke befindet, ist an ihren Platz getreten. Fühlt man sich an den vertrauten Stätten seiner Jugend schon fremd und als ob man nie dazugehörte, kommt man sich auf dem verwaisten Kirchenplatz vollends verlassen vor. Der hier im Kreise schweifende Blick erkennt hinter abbröckelnden Fassaden die einst stolzen Bürgerhäuser nicht mehr. Es ist nun keinesfalls so, daß alle Häuser in Altker dem Verfall preisgegeben wären, nein, viele sind innen und außen sauber und in Ordnung. Auch stehen an der Allee zum Bahnhof eine Anzahl neuer Wohnbauten im modernen Stil. Insgesamt gesehen macht das Dorf aber einen abgerissenen, verwahrlosten und unordentlichen Eindruck. Wohin man auch kommt, wohin der Blick streift, es fällt einem schwer, sich zu vergegenwärtigen, dass man in Altker ist. Dieser traurige Zustand wird von den Bewohnern sehr wohl gesehen und in Gesprächen unumwunden zugegeben, teilweise auch bedauert; im allgemeinen aber in echt slawischer Gelassenheit und Schicksalsergebenheit hingenommen.
Ein kurzer Besuch unseres Friedhofes steigert noch das Gefühl der Trostlosigkeit. Der Friedhof, dessen Eingang kaum noch zu erkennen ist, wurde in letzter Zeit eingezäunt und darauf eine Fasanenzucht eingerichtet. Er ist, wie nach so langer Zeit mangelnder Pflege nicht anders zu erwarten war, vollständig verwahrlost und verwildert. Gräber sind kaum noch auszumachen, da alle mit hohem Gras und Unkraut überwuchert sind. Kreuze sind keine zu sehen. Die aus Kunst- und Naturstein hergestellten Familien-Grüfte sind gut erhalten und ergeben durch die Umwucherung mit Gras, Unkraut, Sträucher, Hecken und wild wachsenden Bäumchen aller Art ein nicht einmal schlechtes Bild. Es steht nur noch ein gut erhaltener Grabstein. Darüber hinaus stehen und liegen noch einige Reste zerbrochener Grabsteine herum. Traurige und schmerzliche Gedanken bewegen einem beim Anblick dieses zur Einöde gewordenen für uns so bedeutungsvollen Fleckchens Erde. Unser Wiedersehen mit Altker hatte auch versöhnliche Gesichtspunkte. Das waren die Begegnungen mit seinen derzeitigen Bewohnern. Wie wir überrascht und niedergeschlagen vor oder in unseren ehemaligen Häusern standen, so überrascht, ja oft ratlos, standen wir der freudig-überschäumenden Begrüßung durch alte Bekannte gegenüber. Auf Schritt und Tritt wiedererkannt, begrüßt und eingeladen, wußten wir häufig nicht, wohin wir uns wenden sollten. Viele kamen, erzählten uns von gemeinsamen Erlebnissen und dörflichen Begebenheiten, die wir längst vergessen hatten. Sie fragten unendlich nach allen Bekannten, trugen uns Grüße an alle ehemaligen Altkerer auf. Man mag vielleicht einwenden, man solle diese Begrüßungen und Freude nicht überschätzen. Zugegeben, es mag manches gespielt und auch Berechnung gewesen sein, so war doch viel echte Freude dabei, wieder mit alten Bekannten aus der „guten alten Zeit" zusammenzusein.
Auch die Begegnung mit den Neu-Ansiedlern, den derzeitigen Bewohnern unserer ehemaligen Häuser, war anständig. Wir waren in mehreren dieser Häuser, wir wurden überall freundlich begrüßt, willkommen geheißen und bewirtet. Es wurde uns alles gezeigt, was wir zu sehen wünschten. Die Gespräche waren offen, freimütig und wurden in gegenseitiger Achtung geführt.
Dabei zeigte sich, daß sich diese Leute des Unrechts bewußt sind, das uns durch die Vertreibung und den Verlust von Hab und Gut angetan wurde. Trotzdem fühlen sie sich nicht als Urheber oder Nutznießer dieses Unrechts, da sie ja selbst, wie sie betonen, gleich uns, durch dieselben Kriegsereignisse ebenfalls Hab und Gut verloren haben. Dann kommt noch für diese Leute, wie sie wähnen, eine ungemein beruhigende Tatsache hinzu, nämlich die, daß wir, wie der stetige Augenschein beweist, den Verlust in der Zwischenzeit mehr als wettgemacht haben. Interessant war auch die Feststellung, wie gut diese Leute in jeder Beziehung über uns Bescheid wußten.
So verbrachten wir zwei Tage in Altker, zwei Tage, in denen viele Eindrücke auf uns einstürmten, die man im Augenblick gar nicht fassen und verarbeiten konnte. Wir gingen hier- und dahin, sahen uns gründlich um, führten Gespräche und konnten uns nicht zurechtfinden. Wir waren Gäste im eigenen Heimatdorf, in einer Kulturlandschaft, an deren Gestaltung aus einer Wüste heraus unsere Vorfahren so fleißig mitgewirkt hatten. Und gerade Gäste wollten wir doch hier niemals sein. Wir wandelten immer mehr in einer uns in jeder Beziehung fremd gewordenen Umgebung, als ob wir nie hier gewesen wären. Je länger wir verweilten, um so fremder schien uns alles zu werden. So wurde aus einem beabsichtigten Wiedersehen - ein Abschied.
Ein Abschied allerdings, der nicht schwerfiel. Ich muß gestehen, ich habe in meinem Leben sehr oft Altker verlassen müssen, so leichten Herzens wie dieses Mal bin ich nie geschieden. Die Erklärung für diesen leichten, ja frohgemuten Abschied gab mir der letzte Blick zurück am Ortsausgang. Dieser letzte Blick zurück fiel erneut ~ wie der erste bei der Einfahrt - auf das Ortsschild mit dem nunmehrigen Namen des Dorfes: Zmajevo.
Jetzt wurde mir schlagartig klar: ich fuhr nach Altker - aber ich war in Zmajevo. Altker, wie das geistige so das materielle, besteht nur noch in unserer liebevollen, verklärten Erinnerung. Das Dorf aber, das sich zwanzig Jahre nach unserem Auszug von dort dem Beschauer zeigt, ist nicht Altker, sondern Zmajevo.